« Feuer!
Langsam schauter er sich um, alles war so fremd und irgendwie blass.
Er stand auf einer Fläche von gelb-grünem Gras so weit das Auge reichte. Blinzelnd versuchte er in der Ferne etwas auszumachen, waren dort Berge? Mit Gewissheit konnte er es nicht sagen.
Was sollte er nun tun? Ganz ohne Vorräte und den Rest seiner Gesandschaft, mit der er aus Traganta aufgebrochen war, bestand keine große Hoffnung dieser weiten Steppe zu entkommen. Erst jetzt bemerkte er, dass weder Durst noch Hunger an ihm nagten und er war weder müde noch anderweitig erschöpft.
Grübelnd machte er schließlich ein paar Schritte in die Richtung, wo er meinte die Berge gesehen zu haben. Doch nach drei Schritten blieb er wieder stehen, während ihm der Unterkiefer nach unten fiel.
Urplötzlich ragten die Berge riesengroß vor ihm auf, als wäre er Tagelang gereist. Ungläubig musterte er das Gebirge von seinen Wurzeln bis zu den leicht wolkenbehangenen Gipfeln, doch außer nacktem Fels gab es nicht zu sehen.
“Sei gegrüßt Bruven, ich habe schon lange auf dich gewartet.”
Bruven erstarrte, war diese Stimme gerade in seinem Kopf gewesen? Sicher war er sich nicht.
“Du brauchst keine Angst zu haben, dreh dich um und du wirst sehen wer mit dir spricht.”
Ohne sein zu tun drehte der Tragonier sich um, als ob jemand Fremdes die Kontrolle über seinen Körper hatte. Der Anblick, der sich ihm nun bot, ließ das Blut in seinen Adern gefrieren.
Etwa vier Schritte von ihm entfernt lag der Kopf eines Drachen, dessen mächtiger, schwarzgeschuppter Körper etwa 30 Schritte eines ausgewachsenen Mannes bis zur Schwanzspitze maß. Seine Schwingen waren rechts und links an den Seiten angelegt, während seine Klauen unter seinem massigen Körper verschwanden.
Aus grasgrünen Augen fixierte er den immer noch erstarrten Bruven und öffnete leicht sein Maul, nur entfernt hatte es Ähnlichkeiten mit einem Grinsen.
Mit der Zeit fand Bruven die Fassung wieder und sein erster Reflex war der Griff zu seinem Schwert.
Er griff ins Leere.
Nur kurz wagte er es an sich hinab zu blicken. Dabei stellte er allerdings fest, dass er weder sein Schwert bei sich hatte, noch in die selbe Kleidung gehüllt war, in der er sich ursprünglich auf die Reise gemacht hatte.
Bruven wollte davon laufen, aber seine Beine gehorchten ihm nicht. Ängstlich blickte er zu dem Drachen hinüber, sein Maul war wieder geschlossen. Dennoch hörte er dessen Stimme in seinem Kopf.
“Du hast von mir nichts zu befürchten, nicht wenn du die Aufgabe erledigst die ich dir auferlege.” “Wo bin ich hier?” fragte Bruven, langsam wieder Mut schöpfend “Und wie bin ich hier her gekommen?”
“Das hier ist dein Traum, ich besuche dich nur darin. Denn anders hättest du zum Schwert gegriffen, oder nein. Du wärst geflohen.”
“Wenn das hier” er wedelte mit den Armen um sich “also mein Traum ist, könnte ich dich hierraus verbannen.”
Es war mehr ein Gedanke als eine Absicht, dennoch sollte er es sofort bereuen auch nur daran gedacht zu haben. Denn die Stimme des Drachens dröhnte laut und wütend in seinem Kopf. “Sicher könntest du das, aber dann würde ich dir in der realen Welt begegnen und Du,” funkelte der Drache ihn an “hättest keine Chance meinen Klauen zu entkommen.”
Der Drache richtete sich auf und streckte seine Schwingen von sich ab um der Drohung mehr Ausdruck zu verleihen.
“Hör dir meine Aufgabe an, denn es ist kein Eigennutz, der mich dazu bringt dir diese Verantwortung zu übertragen.”
Misstrauen lag in dem Blick, den Bruven dem Drachen zu warf, während dieser sich wieder nierderlies und etwas milder fortfuhr.
“Ich darf dir nicht viel sagen, denn das Gesetz von uns Drachen verbietet es andere Wesen in die Geschicke dieser Welt einzuweihen, aber so viel sollst du wissen:
Ist das letzte Korn gefallen, an tiefem Ort
Vollführe das Ritual, Wort für Wort.
Am Ort ihrer Bestimmung müssen die Schuppen sein.
Nur dann gelingt es und die Welt wird wieder rein.”
Bruven runzelte die Stirn, damit konnte er überhaupt nichts anfangen.
“Ich verstehe nicht was ich tun soll. Was für ein Ritual?”
“Das Ritual ist notwendig um diese Welt im Gleichgewicht zu halten, es muss ausgeführt werden. Sollte es ausbleiben, endet alles in einer gewaltigen Katastrophe.”
Immer noch verwirrt setzte der Tragonier sich hin. Die Angst war in der zwischenzeit komplett verflogen und hinterließ einen Platz in seinen Gedanken, der sich nun mit Sorgen und Zweifeln füllte. Viele Fragen drängten sich ihm gleichzeitig auf, die er versuchte in Worte zu fassen:
“Aber was genau ist meine Aufgabe und wie lauten die Wörter für das Ritual?”
“All das wirst du mit der Zeit lernen, den ersten Schritt hast du bereits gemacht, deine Angst vor Drachen ist gewichen.”
Eine leichte, senkrechte Kopfbewegung des Drachen deutete ein anerkennendes Nicken an.
“Die Worte hingegen, kann ich dir nicht sagen, sie sind dazu bestimmt nur unter meines gleichen weitergegeben zu werden.”
Zufriendenheit konnte man im Gesicht des Menschen nach wie vor nicht erkennen. Warum sollte er sich auf eine, möglicherweise gefährliche, Mission begeben, von der er nicht mal wusste wohin sie ihn trug, geschweige denn was er überhaupt zu tun hatte.
Eine Veränderung in den Augen des Drachen hielt ihn davon ab danach zu fragen. Das Grün schien sich zu trüben und schließlich einem leichten blauton zu weichen.
Noch ehe er fragen konnte, antwortete der Drache mit belegter Stimme.
“Es steht nicht mehr in unserer Macht das Ritual zu begehen. Wir sind zu wenige. Und wir haben unsere Hüter verloren. So ist es nun an den anderen Wesen und Völkern, dessen Heimat diese Welt ist, für ihren Fortbestand zu sorgen.”
Langsam richtete der Drache sich auf, spreizte erneut seine Schwingen und begann kräftig zu schlagen. Seinem imensen Gewicht zum Trotz erhob er sich elegant in die Luft und stieg rasch höher. Ein letztes Mal klang seine Stimme in Bruvens Kopf:
“Die Zeit drängt. Du musst rasch aufbrechen. Folge deinem Herzen und du wirst deinen Weg finden.”
Im gleichen Moment löste sich alles um den Menschen herum auf und verschwand. Es war finster und nichts zeugte mehr von dem Gespräch mit dem Drachen. Lediglich ein leichtes Dröhnen, wie das Echo einer weit entfernten Gerölllawine, hielt sich in seinem Kopf.
Bruven schlug die Augen auf und blickte in das Gesicht eines Soldaten.
“Ihr müsst aufstehen Meister Bruven. Die Sonne geht hinter den Bergen auf, wir müssen weiter.”
Nach einem kurzen Moment der Orientierungslosigkeit stand der Berater und oberste Leibwächter des Königs auf. Er befand sich wieder in seinem Zelt, mitten in dem Lager, das sie für die Nacht aufgeschlagen hatten. Vorsichtig massierte er sich seine Schläfen, einen seltsamen Traum hatte er gehabt. Erstaunt darüber wie detailiert er sich an jede Kleinigkeit erinnern konnte, ließ er sich zu einem ausgiebigen Gähnen hinreißen ehe er aus dem Zelt trat und nach Osten schaute. Dort krochen die ersten Sonnenstrahlen über die Berggipfel und kündigten den neuen Tag an. Ein gr0ßer, schwarzer Vogel zog seine Kreise zwischen den einzelnen Gipfeln.
Bruven stutzte.
Der Schwanz des Vogels war viel zu lang, außerdem schien er deutlich größer zu sein als jedes andere Exemplar seiner Artgenossen. Auf diese Distanz dürften selbst die besten Augen höchsten einen kleinen, schwarzen Punkt ausmachen.
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag.
Hastig drehte Bruven sich zu dem Soldaten um, der ihm aus dem Zelt gefolgt war.
“Packt alles zusammen, wir reiten weiter ehe die Sonne gänzlich das Gebirge überwunden hat. Die Zeit drängt!”
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